13. Abtsdorfer Heimattreffen in Bad Rappenau 2008

13. Abtsdorfer Treffen in Bad Rappenau am 28. Juni 2008 Siebenbürgen-Nachmittag auf der baden-württembergischen Landesgartenschau gestaltet von der HOG Abtsdorf


Marschmusik erklingt inmitten blühender Blumenpracht im Bad Rappenauer Kurpark. Die Passanten blicken erwartungsvoll in die Richtung, aus der die Blasmusik ertönt. Die Musikanten der Blaskapelle kommen näher. Sie bilden aber nur die Spitze der Prozession, die sich den Weg bahnt quer über das Gelände der Landesgartenschau – vorbei an prächtigen Blumenbeeten und staunenden Besuchern. Die mehr als 120 Teilnehmer in ihren farbenfrohen und reich verzierten siebenbürgisch-sächsischen Trachten geben an jenem Samstag, dem 28. Juni, ein prächtiges Bild ab. Die Besucher der Landesgartenschau zücken ihre Kameras, um den ungewöhnlichen Anblick in einem Foto festzuhalten. Woher die Trachtenträger wohl kommen? Um das Rätsel zu lüften: Es sind Abtsdorfer und deren Freunde, die aus ganz Deutschland und aus Holland angereist waren. Sie sind auf dem Weg zur großen Festbühne im Salinenpark im östlichen Teil des Landesgartenschaugeländes. Zum Siebenbürgen-Nachmittag, den die Heimatortsgemeinschaft des kleinen Abtsdorf bei Agnetheln auf die Beine gestellt hat.

Im großen Festzelt angelangt, formieren sich die Trachtenträger auf der Bühne und präsentieren sich dem Publikum. Und das erste, was die Besucher zu hören bekommen, sind Lieder aus und über Siebenbürgen. Zu diesem Zweck haben sich die Trachtenträger zu einem stattlichen Chor zusammengefunden unter der Leitung des erfahrenen Chorleiters und Dirigenten Mathias Untch. Das Lied „Willst du Gottes Werke schauen, komm ins Siebenbürgerland“ (Satz: Mathias Untch) – eine musikalische Liebeserklärung an Siebenbürgen, die schöne Heimat, ist der Auftakt zu einem vier Stunden dauernden unterhaltsamen und niveauvollen Programm. Doch bevor die Abtsdorfer weiterfahren mit ihrer Vorstellung, ist Bad Rappenaus Oberbürgermeister Hans Heribert Blättgen an der Reihe. Er ist schon gut informiert über die Abtsdorfer – in seinem Büro steht das gewichtige Abtsdorfer Heimatbuch von Michael Konnerth, das 1998 mit dem baden-württembergischen Landespreis für Heimatforschung ausgezeichnet wurde.

An diesem Nachmittag schlüpft der Oberbürgermeister in eine ungewöhnliche Rolle: Er nimmt am Rednerpult die Stelle von Michael Konnerth ein, dem Vorsitzenden der Abtsdorfer Nachbarschaft, der krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte – was besonders tragisch ist, da er der Initiator und Organisator des Siebenbürgen-Nachmittags auf der Landesgartenschau war. Blättgen kennt Michael Konnerth, der bis zu seiner Pensionierung 2004 Stadt- und Kurhistoriker in Bad Rappenau war, und so fällt es dem Oberbürgermeister leicht, die Rede des Nachbarvaters vorzutragen – und den Besuchern Wissenswertes und Anekdoten über Siebenbürgen und das kleine Abtsdorf zu erzählen. Der Oberbürgermeister lobt das Engagement der Trachtenträger, die das Programm der Landesgartenschau bereichern. Er lobt Michael Konnerths ehrenamtliches Engagement im Bad Rappenauer Heimatverein, dem der Gemeinderat „für seine unvergleichlich hohen Verdienste um die Erforschung, Vermittlung und Darstellung der Rappenauer Geschichte“ im vergangenen Februar die Verdienstmedaille der Großen Kreisstadt Bad Rappenau verliehen hat.

Das Programm am Siebenbürgen-Nachmittag ist bunt und vielseitig. Kerstin Arz und Anita Jäger führen in souveräner Manier das Publikum durch den Nachmittag und erklären den Zuschauern im voll besetzten Festzelt (rund 700 Zuschauer, darunter viele Kurgäste) die Vielfalt der Abtsdorfer Tracht: Kinder, junge Frauen und Männer, gebockelte Frauen, ein Hochzeitspaar und gestandene Männer im Kirchenmantel präsentieren sich und ihre Tracht bei einer Modenschau auf der Bühne. Aus Südbaden mit dabei ist die Siebenbürgische Volkstanzgruppe Lörrach. Unter der Leitung von Helmut Untch führen die acht Paare insgesamt neun Volkstänze auf – darunter auch den Bändertanz, den die Abtsdorfer traditionell beim Kronenfest tanzen. Zur musikalischen Unterhaltung des Publikums treten auf das Abtsdorfer Trio Ingolstadt unter der Leitung von Regine Müller und die 25-köpfige Siebenbürgische Blaskapelle Landshut mit ihrem Leiter Erwin Arz.

Neben Genüssen für Aug´ und Ohr gibt es für die Besucher beim Siebenbürgen-Nachmittag auch eine Köstlichkeit für den Gaumen. Vor dem Festzelt backen die fleißigen Helferinnen und Helfer aus Landshut Baumstriezel – und die gehen weg wie warme Semmeln. Für die Sachsen ergeben sich viele Gelegenheiten, mit Besuchern der Landesgartenschau ins Gespräch zu kommen. Beim Spaziergang über das Gelände ziehen sie in ihrer Tracht so manch neugierige Blicke der Passanten auf sich. „Wo kommt ihr denn her?“, fragen die Leute. Die wenigsten wissen von Siebenbürgen. So hat der Siebenbürgen-Nachmittag auch die wunderbare Gelegenheit geboten, den vielen Besuchern der Landesgartenschau etwas von der Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen nahe zu bringen.

Gelungenes Abtsdorfer Treffen

Nach der erfolgreichen Gestaltung des Siebenbürgen-Nachmittags auf der Hauptbühne der Landesgartenschau kamen rund 300 Abtsdorfer und deren Freunde im Festsaal des Kurhauses Bad Rappenau zu ihrem 13. Nachbarschaftstreffen zusammen. Das Treffen bildete einen Schwerpunkt im städtischen Veranstaltungskalender für den Monat Juni und war damit eingebettet in das kulturelle und gesellschaftliche Leben Bad Rappenaus, eines der schönsten Kurorte Deutschlands. Die Eröffnung und Begrüßung erfolgte durch Vorstandsmitglied Mathilde Melzer, die den erkrankten Nachbarvater Michael Konnerth vertrat. Hochkarätige Ehrengäste waren zugegen: Doris Hutter, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Michael Konnerth, Vorsitzender des Verbandes siebenbürgischer Heimatortsgemeinschaften, und Hans Heribert Blättgen, Oberbürgermeister von Bad Rappenau.

Die Abtsdorfer seien angetan von der Schönheit des Kurortes, der die Landesgartenschau zusätzliche Farbtupfer verleihe, und dem einladenden Ambiente des Kurhauses, sagte Melzer. Sie freute sich über die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen der Abtsdorfer Nachbarschaft und der Stadt Bad Rappenau bzw. dem dortigen Heimatverein. Als Beispiele nannte sie die Ausstellung „Abtsdorf – ein ehemals deutsches Dorf in Siebenbürgen“, die gemeinsam von den befreundeten Heimatvereinen von Abtsdorf und Bad Rappenau im Jahr 1994 im Foyer des Kurhauses und ein Jahr danach im Städtischen Museum gezeigt worden war sowie die Teilnahme der Abtsdorfer Trachtengruppe am großen Trachtenumzug am 9. September 2001 in Bad Rappenau anlässlich der baden-württembergischen Heimattage. Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinschaftsbewusstsein seien bei den ausgesiedelten Abtsdorfern trotz räumlicher Trennung ungebrochen, betonte Melzer, und dies in einer Zeit, wo sonst das Gemeinsame und Verbindende in der Gesellschaft immer mehr abhanden kommen und die Selbstverwirklichung des Individuums in den Vordergrund gerückt wird. Den engen Zusammenhalt aller Abtsdorfer hätte übrigens diese durch die erfolgreiche Gestaltung des Siebenbürgen-Nachmittags auf der Landesgartenschau eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dahinter würden vier Jahre Vorbereitung sowie ein logistischer und finanzieller Kraftakt einer zwar kleinen, aber fest gefügten Gemeinschaft stecken, so Melzer.

Das Grußwort der gastgebenden Stadt überbrachte Oberbürgermeister Hans Heribert Blättgen, der sich als besonders einfühlsamer Kenner der Aussiedlerproblematik erwies. Das Stadtoberhaupt würdigte die Integrationsleistung der Aussiedler, darunter zahlreicher Siebenbürger Sachsen, die in Bad Rappenau eine neue Heimat gefunden haben und wesentlich zu ihrem Aufstieg beitrügen. Blättgen erinnerte an die anfänglichen Schwierigkeiten nach der Aussiedlung, zumal die meisten oft nur mit Handgepäck und durch Schmiergeldzahlungen hoch verschuldet in ein völlig neues, daher ungewohntes Leben gestartet seien. „ Sie haben es überstanden“, rief er den Abtsdorfern zu, „Sie haben sich und ihrem Kindern eine neue Zukunft aufgebaut. Es war ein hartes Stück Arbeit, aber sie haben es geschafft.“

Es ist eine gute Tradition, dass zu Beginn eines jeden Abtsdorfer Treffens eine kurze Andacht gehalten wird. In diesem Jahr war es die Premiere für den 29-jährigen Andreas Gross, einen Vertreter der jungen Abtsdorfer Generation. Er hat am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission in Bad Liebenzell Theologie studiert und ist seit einem Jahr Gemeinschaftsprediger in Wassertrüdingen in Mittelfranken. „Gemeinsam mit meiner Frau Rahel werden wir, so Gott will, nächstes Jahr als Missionare der Liebenzeller Mission nach Malawi/Afrika ausreisen“, erzählte er. Die Liebenzeller Mission ist ein evangelisches Missionswerk, das mit über 200 Missionaren in 20 Ländern weltweit tätig ist. In seiner Andacht sprach Andreas Gross über Heimat und Heimatlosigkeit. „Heute muss man schon sehr flexibel und anpassungsfähig sein. Man findet nicht überall Arbeit und muss unter Umständen die vertraute Heimat verlassen, um an einem anderen Ort neu anzufangen. Die Siebenbürger kennen das Gefühl gut“, sagt er. Ihn bewege aber auch Jesus, „der all seine Herrlichkeit beim Vater zurücklässt und zu uns Menschen kommt, in der Fremde eine neue Heimat suchend“. Er wünsche sich, dass „unsere Herzen, auf der ständigen Suche nach Heimat, Schutz und Geborgenheit, bei Gott zur Ruhe kommen und der ewigen Heimat getrost und mit Freuden entgegengehen können“. Musikalisch umrahmt wurde die Andacht vom Gemischten Chor unter der Leitung von Mathias Untch. Die darauf folgende Totenehrung (insgesamt 19 Abtsdorfer sind in den letzten zwei Jahren verstorben) ließ manches Auge feucht werden.

Im Anschluss an die kirchliche Andacht überbrachte Doris Hutter die Grüße von Bernd Fabritius, Vorsitzender des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen und von Alfred Mrass, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg. Hutter war voll des Lobes „über das, was das kleine-große Abtsdorf auf der Festbühne der Landesgartenschau gezeigt“ habe.

Dem scheidenden Vorsitzenden Michael Konnerth kam an dem Abend eine doppelte Ehrung zuteil – obgleich er krankheitsbedingt am Treffen nicht teilnehmen konnte. Dafür war ein anderer Michael Konnerth anwesend: der Vorsitzende des Verbandes siebenbürgisch-sächsischer Heimatortsgemeinden (HOG). Der Vorsitzende des HOG-Verbandes verlieh seinem Namensvetter die Ehrennadel in Gold des Verbandes siebenbürgisch-sächsischer Heimatortsgemeinschaften für jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement im Dienste der Abtsdorfer Nachbarschaft. Die zweite Ehrung erhielt Michael Konnerth von den Mitgliedern der Nachbarschaft selbst. Auf Antrag von Erwin Arz, Vorstandsmitglied, wurde Konnerth „als Anerkennung und Dank für außergewöhnliche Leistungen“ einstimmig zum Ehren-Nachbarvater auf Lebenszeit gewählt. Konnerth habe die hiesige Abtsdorfer Nachbarschaft seit ihrer Gründung 1984 bis heute in seiner Eigenschaft als Nachbarvater wesentlich geprägt und zu einer „festen Größe“ unter den rund 200 siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland gemacht. „Konnerth hat die Messlatte sehr hoch angesetzt. Daran werden sich in Zukunft seine Nachfolger im Amt zu orientieren haben“, so Arz. Seinen Dankesworten schloss sich die Nachbarschaft mit einem schönen Blumenstrauß an, den seine Gattin Rosi entgegennahm. Geehrt wurde außerdem Johanne Schuster, die Kassiererin der Nachbarschaft, für ebenfalls 24 Jahre engagierten Dienstes für die Nachbarschaft. Johanna Schuster und ihr Mann Michael waren auch in diesem Jahr – wie auch bei den Treffen in den Jahren zuvor – die fleißigen Organisatoren des Abtsdorfer Treffens, die mit unermüdlichem Einsatz für das Gelingen des Programms am Nachmittag wie am Abend sorgten.

Beim Abtsdorfer Treffen traf auch das neue Abtsdorfer Ortsfamilienbuch druckfrisch ein. Michael Konnerth hat in den vergangenen Jahren unter Mitarbeit von Johanna Schuster über die vielen Generationen von Abtsdorfern geforscht. In dem 724 Seiten umfassenden Werk ist die Bevölkerung von Abtsdorf detailliert aufgeführt, die Daten reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Aus insgesamt 6.416 Personen mit ihren wichtigsten Lebensdaten wurden insgesamt 1.845 Familien zusammengebaut und in ihren genealogischen Zusammenhang gestellt, was eine Rekonstruktion der Abtsdorfer Bevölkerung für die letzten 8 bis 10 Generationen ermöglicht. Auf dieser Grundlage ist beinahe jeder Abtsdorfer in der Lage, die ersten rund 200-300 Jahre der eigenen Familiengeschichte zurückzuverfolgen und die Geschichte seines ehemaligen Hauses oder Hofes von seinen ersten namentlich bekannten Bewohnern bis zur massiven Auswanderung der Abtsdorfer Sachsen Anfang der 1990er-Jahre nachzuvollziehen. Und noch eine Besonderheit enthält das Buch: Auf zahlreichen Fotos ist jedes Wohngebäude des Dorfes abgebildet. Bei denjenigen, die in Abtsdorf gelebt haben, rufen die Abbildungen Erinnerungen wach. Und die junge, in Deutschland aufgewachsene Generation sieht: Dort haben unsere Eltern und Vorfahren einmal gelebt.Das Abtsdorfer Ortsfamilienbuch kann bei Johanna Schuster, Dr.–Eisenreiter-Weg 1, 84359 Simbach/Inn , Telefon (08571) 3474, für 75,00 Euro zuzgl. 7 Euro Versandspesen bestellt werden.

In diesem Jahr standen auch Vorstandswahlen auf dem Programm. Einen wichtigen Einschnitt im Leben der Nachbarschaft bedeutete es, dass der bisherige Nachbarvater und Mitbegründer der Nachbarschaft, Michael Konnerth, sich nach 24-jähriger Tätigkeit nicht mehr zur Wahl stellte. Für den heute 68-Jährigen ist es nun genug, schon aus gesundheitlichen Gründen muss er kürzer treten. Allerdings haben die Abtsdorfer bisher noch keinen Nachfolger gefunden. Die Nachbarschaft setzte sich bei ihrem Treffen in Bad Rappenau aber nicht unter Druck, entlastete den Vorstand und vertagte die Wahl eines Vorsitzenden bis zum nächsten Treffen in zwei Jahren. So bleibt Zeit, in Ruhe einen Nachbarvater zu finden. Solange leitet der 8-köpfige Vorstand die Nachbarschaft gemeinschaftlich. Aber auch Alt-Nachbarvater Konnerth wird dem Vorstand beratend beistehen. Für weitere vier Jahre wurden im Amt bestätigt: Johanna Schuster (Kassiererin), Renate Jäger (Schriftführerin sowie Kultur- und Pressereferentin), Mathilde Melzer (Redaktion Abtsdorfer Heimatecho), Inge Gross (Familien-, Schnitt- und Fotoarchiv), Regine Müller (Adressenkartei sowie Versand Abtsdorfer Heimatecho), Erwin Arz (Abtsdorfer Heimatecho), Renate Ramp-Wagner (Administrator „Abtsdorf im Internet“), Anita Jäger (Jugendreferentin).

Anschließend hatten die Abtsdorfer Zeit und Muße, beim gemütlichen Beisammensein Erinnerungen und Neuigkeiten auszutauschen, während das Tanzorchester „Duo Strings“ (Augsburg) bis weit nach Mitternacht für musikalische Unterhaltung sorgte.Es war ein anstrengender, aber sehr schöner Tag in Bad Rappenau, an den die Abtsdorfer noch lange und gerne zurückdenken werden. Dank allen, die zu seinem Gelingen beigetragen haben.

Michael Gross und Johanna Schuster