Für Abtsdorf brachten die Jahrzehnte nach der Revolution von 1848 und bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 bedeutsame Veränderungen und Neuerungen.
Mit Aufhebung der Untertänigkeit wurde Abtsdorf eine freie Gemeinde.
Von ausschlaggebender Bedeutung in diesem Zusammenhang war die Umsetzung der Regelungen, die sich vor allem auf bäuerliche Abgaben und Dienste bezogen. Zwischen 1848 und 1858 wurden auch die Abtsdorfer von allen grundherrschaftlichen Abgaben und Dienstleistungen sowie vom Kirchenzehnten befreit und mussten fortan nicht mehr in fremde Taschen wirtschaften.
Nicht zuletzt gingen Grund und Boden, über die sie bis dahin nur das Verfügungsrecht gehabt hatten, das sie allerdings auch an ihre Kinder vererben konnten, in ihr ausschließliches Eigentum über. Bis zur Bauernbefreiung stand nämlich das eigentliche Eigentumsrecht der Grundherrschaft, also den Sieben Stühlen, zu, war ihnen doch Abtsdorf nach grundherrschaftlichem Recht vergeben worden.
Veränderungen gab es auch hinsichtlich der Gemeinerde. Sie ging in das Eigentum der politischen Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft über. Die Gemeinerde wurde Gemeindevermögen, ohne dass jedoch dessen gemeinschaftliche Nutzung, wie beispielsweise der Gemeindehutweide, aufgehoben wurde.
In der Folgezeit setzte in Abtsdorf eine bis dahin noch nie gekannte Aufwärtsentwicklung ein, so dass der Ort sich schon nach wenigen Jahrzehnten mit anderen, einst freien sächsischen Gemeinden messen konnte.
Die durch den Wegfall des Zehnten sowie anderer Abgaben und Leistungen frei gewordenen Mittel steckten die Abtsdorfer in ihre Wirtschaften, die sie mit großem Fleiß und äußerster Sparsamkeit voranbrachten. Der damalige Ortspfarrer Carl Simon Freiberg vermerkt 1872 im Gedenkbuch der Gemeinde in diesem Zusammenhang: “Die hiesige Evang. Gemeinde Abtsdorf … verdankt ihr Gedeihen dem unermeßlichen Fleiße und Sparsamkeit seiner Bewohner”.
Der Aufschwung der Gemeinde fand wohl seinen sichtbarsten Ausdruck in der Errichtung von feuersicheren Wohnhäusern und Wirtschaftsgebäuden, die den Platz der bis dahin weitgehend aus Holz gefertigten und mit Stroh gedeckten Bauten einnahmen. Die meisten älteren, mit Ziegeln gemauerten und gedeckten Wohnhäuser in Abtsdorf, wie sie zum größten Teil auch heute noch stehen, sind in der Zeit zwischen 1848 und 1914 errichtet worden.
Nach der Volks- und Wohngebäudezählung von 1910 waren von insgesamt 142 Wohnhäusern bereits 124 (88 %) mit gebrannten Ziegeln und 2 (0,7 %) mit Trockenlehmziegeln gemauert. Nur 16 Häuser (11,3 %) waren aus Holz und Lehm gefertigt. Im genannten Jahr waren 129 Häuser (90,8 %) mit Ziegeln, 2 (0,7 %) mit Schindeln und Brettern und lediglich noch 11 (8,5 %) mit Stroh und Schilfrohr gedeckt. Bei den aus Holz und Lehm errichteten Wohngebäuden handelte es sich offensichtlich um die am Südostrand der Gemeinde, jedoch außerhalb derselben, gelegenen und von Zigeunern bewohnten Hütten, so wie sie noch bis 1945 anzutreffen waren. Die Sachsen hingegen hatten alle schon vor dem Ersten Weltkrieg ihre alten, strohgedeckten Holzhäuser durch feste Ziegelbauten ersetzt. Nach und nach wurden auch die Wirtschaftsgebäude aus solidem Material aufgeführt und mit einem Ziegeldach versehen, dies insbesondere nach der großen Brandkatastrophe des Jahres 1873.
Die Veränderungen und Neuerungen in der Gemeinde setzten sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts fort.
Die Voraussetzungen hierfür wurden mit der Durchführung der Flurbereinigung (Kommassation) im Jahre 1904 geschaffen. Sie bedeutete einen großen wirtschaftlichen Fortschritt. Die durch Realteilung zersplitterten und unwirtschaftlich gewordenen Grundstücke wurden zusammengelegt, alle Grundstücke an ein zweckmäßiges Wegenetz angeschlossen. Die Schwarzbrache wurde abgeschafft und die zum Mittelalter gehörende Dreifelderwirtschaft durch die Fruchtwechselwirtschaft ersetzt. Nicht zuletzt wurde durch Aufhebung des Flurzwangs ein individuelles Wirtschaften erst möglich gemacht, was wiederum bis dahin ungenutzt gebliebene Initiativen und Fähigkeiten freilegte. Auch wenn die Vorteile der Flurbereinigung mit Blick auf die Parzellenzahl bis 1945 infolge zunehmender Bevölkerung weitgehend aufgehoben wurden, bewirkte sie dennoch für die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts eine wesentliche Stärkung der Wirtschaftskraft der Gemeinde. Nur auf dieser Grundlage konnten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges mehrere dringend notwendig gewordene und mehrfach verschobene Bauvorhaben in Angriff genommen werden.
Dazu gehörte als erstes das 1910 am Südostende der “Hougele“, in unmittelbarer Nähe des Föhrenwaldes, errichtete Rathaus mit dazugehörender Ratschreiberwohnung (Notärswohnung). Wie aus dem Gedenkbuch der evangelischen Volksschule in Abtsdorf ersichtlich, lag die Bausumme bei der für damals stattlichen Summe von 45.000 Kronen. Die Bauarbeiten wurden von den Gebrüdern Wonner aus Agnetheln ausgeführt , die Bausumme weitgehend durch den Verkauf von mehreren Tausend Eichenstämmen aus dem “Bruit“-Wald an eine österreichische Firma aufgebracht.
Schon nach knapp 2 Jahren gingen die Abtsdorfer dann daran, auf dem frei gewordenen Predigerhof (Haus-Nr. 47/94) mit einem Kostenaufwand von 12.000 Kronen eine neue Lehrerwohnung zu errichten. Die Kosten wurden auf die Gemeindebürger umgelegt, und zwar “je 110 Kronen, zu zahlen in zwei Jahren“.
Ebenfalls 1912 erfolgte für 2.521 Kronen die Renovierung des Pfarrhauses, das neuzeitlichen Ansprüchen “adaptiert“, also angepasst, wurde.
Im Jahre 1913 führte die Gemeinde drei weitere Baumaßnahmen durch.
Zunächst wurde die neue Schule neben dem Kirchturm für den Betrag von 16.000 Kronen gebaut, gefolgt vom evangelischen Gemeindesaal, der aus dem alten, nun frei gewordenen Schulhaus in dem Kirchgasschen hervorging und 9.000 Kronen kostete, sowie einer zweiten, gleich neben der Burghüterwohnung, für 4.000 Kronen errichteten Lehrerwohnung. Für alle diese Gebäude lag die Planfertigung beim Hermannstädter Architekten I.G. Eder, während die Bauausführung die Gebrüder Wonner aus Agnetheln besorgten. Dazu verwendete man zum Teil das Abbruchmaterial der Abtsdorfer Kirchenburg, deren letzten Reste bei dieser Gelegenheit abgetragen wurden.
Verstärkt setzten sich die von der Flurbereinigung bedingten tief greifenden qualitativen Veränderungen im Abtsdorfer Wirtschaftsleben in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg fort. In relativ kurzer Zeit verlegten die Abtsdorfer das Schwergewicht vom Halmfruchtbau, der seit Jahrhunderten im Vordergrund gestanden hatte, auf die Tierhaltung, vor allem jedoch auf die Schweinemast und die Milchwirtschaft. Milch, Butter, Eier und Fleisch waren insbesondere in den sich zu Industriezentren entwickelnden Städten Hermannstadt und Mediasch, ja sogar in der benachbarten Marktgemeinde Agnetheln sehr gefragt und brachten ihnen bedeutend höhere Einnahmen. Dass nach 1918 in Abtsdorf das Hauptaugenmerk auf der Tierhaltung lag, hing auch mit der verkehrstechnischen Abgeschiedenheit Abtsdorfs zusammen. Der Ort lag weit weg von Straße und Schiene, und es war deshalb sinnvoller, die überschüssigen Feldfrüchte nicht zu vermarkten, sondern als Futtermittel in der Tierhaltung einträglicher zu verwerten. Auch heute noch ist die Veredelung pflanzlicher Produkte zu hochwertigen tierischen Erzeugnissen ein Kennzeichen fortschrittlicher, leistungsfähiger Landwirtschaft. In den 30er Jahren zählte Abtsdorf zu den großen Fleisch- und Milchlieferanten der Gegend. Dies, obwohl der Ort zu den kleinsten sächsischen Gemeinden in Siebenbürgen gehörte. Bei der Volkszählung von 1941 hatte Abtsdorf 686 Einwohner. Davon waren 521 (75,9 %) Deutsche, 158 (23,1 %) Zigeuner, 5 (0,7 %) Rumänen und 2 (0,3 %) Ungarn.
Weit und breit war der Ort als „Schatzkästchen“, als „Edelstein in der Krone siebenbürgisch-sächsischer Gemeinden“ bekannt.